Innerhalb des Mifgash-Projektes „Schreiben zwischen den Kulturen“ haben die Teilnehmer spontan erzählt, was ihnen in der ersten Zeit nach der Einreise aufgefallen und im Gedächtnis haften geblieben ist. Drei Geschichten wurden von den Erzählern, zwei syrische Flüchtlinge und eine türkische Studentin, aufgeschrieben.
Meine Ankunft
in Düsseldorf
Nach einer
langen und anstrengenden Reise bin ich in Deutschland angekommen. Die erste
Stadt, die ich erreichte, war Düsseldorf. Den Hauptbahnhof habe ich bewundert.
Er ist sehr schön; besser als der Damaskus International Airport in Syrien.
Ich erwartete
eine Stadt mit riesigen Hochhäusern und wurde von gewöhnlichen Gebäuden
überrascht, die nicht hoch oder sperrig sind.
Dringend brauchte
ich eine SIM-Karte und suchte nach einem Handy-Markt, aber ich sprach damals
nur arabisch. Kein Deutsch. Was konnte ich tun? Wie konnte ich mich
verständigen? Das war ein großes Problem.
Ich fand einen Handy-Shop. Ich trat ein und sagte in Englisch: »Hello.«
Der Mann im Shop sagte: »Merhaba. Tafaddal. (Hallo. Bitte schön.)«
In diesem Moment war ich glücklich.
Helikopter
2016 war mein
erstes Jahr in Deutschland. Ahmad, ein Flüchtling aus Aleppo, fuhr mit dem
Fahrrad, fiel plötzlich herunter, schlug auf seinen Kopf und blutete wie ein Wasserfall.
Er sah wie ein sterbender Mensch aus.
Mein Kollege
aus Syrien und ich waren neu hier. Wir konnten kein Deutsch und hatten keine
Notrufnummer.
Auf der Straße
hielt sehr schnell ein Auto und die Fahrerin rief den Notruf. In fünf Minuten
kam die Ambulanz, danach ein Hubschrauber. Sie retteten Ahmad und brachten ihn
mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus nach Bielefeld.
Während Ahmads
Unfall wurden seine Familie und Verwandte in Aleppo von Al Assads Hubschraubern
bombardiert und viele wurden zu Hause verletzt oder getötet. Das ist komisch,
dass der Hubschrauber in Deutschland eine andere Aufgabe hat.
Nun frage ich
mich: Warum rettet Deutschland die Zivilisten und Syrien tötet sie? Wegen
dieser Frage denke ich tief und habe immer gemischte glückliche und traurige Gefühle.
Ich finde, was in unserer Welt geschieht ist sehr kompliziert.
Die Tasche
Ich wohne seit 2 Monaten in Kleve. So habe ich nicht
viele Erinnerungen mit Deutschen, aber das ist eine meiner unvergesslichen
Erinnerungen:
Meine Wohngegend ist immer ruhig und nicht viele Menschen
leben dort. Einmal, als ich wie immer auf dem Weg von der Schule nach Hause
war, sah ich eine Tasche auf der Straße. Ich dachte, jemand hätte sie
absichtlich dort gelassen. Ich wollte sie nicht dort lassen, denn in meinem
Heimatland Türkei wurde uns beigebracht, dass es gefährlich sein kann. Also
beschloss ich, die Polizei anzurufen.
Zuerst, habe ich sie gefragt, ob sie Englisch sprechen
können und sie baten mich zu warten. Nach einer Weile fing det Polizist an zu
reden.Er sagte mir, dass ich deutsch sprechen muss, wenn ich in Deutschland
bin.
Ich war schockiert.Dann fing ich an, ein paar Wörter auf
Deutsch zu sagen, um das Hauptproblem zu erklären.
Zuerst, versuchte er mich zu verstehen. Dann fing er an,
Englisch zu sprechen. Er beschwerte sich immer wieder über die Sprachprobleme.
Während wir uns unterhielten, kamen Feuerwehrleute und nahmen die Tasche. Wir
haben das Gespräch beendet.
Ich fühlte mich an diesem Tag schlecht. Hätte ich ein
wichtigeres Problem gehabt, hätte ich keine Lösung gefunden.
Wichtigkeiten oder Unwichtigkeiten?
Keine weltbewegenden Erlebnisse, aber eben subjektiv von großer Bedeutung. Dürfen wir uns auf die Schultern klopfen und stolz auf Deutschland sein? Immerhin zeigt die zweite Geschichte überdeutlich: Wir sind hilfsbereit und kompetent und natürlich gut organisiert.
Bei den Millionen von Menschen, die aus aller Welt nach
Deutschland kommen (Touristen, Migranten, Studenten, Messebesucher, …), ist
es wichtig, eine Binsenweisheit zu beherzigen: Der erste Eindruck haftet. Er ist immer subjektiv, oft zufällig
und falsch, aber er prägt. Durch beharrliche Freundlichkeit kann er korrigiert
werden.
Also in die Offensive, frei nach Albert Schweitzer: Viel Kälte ist zwischen den Menschen, weil wir nicht wagen, uns so herzlich zu geben, wie wir sind.