Zwischenbilanz nach einem Jahr Projekt „BotschafterInnen der Vielfalt“

„Wenn du was bekommen willst, lerne zu geben!“ Das ist eine der Botschaften von Elisara aus Bulgarien, die in einer Begegnung mit SchülerInnen der 9. Klasse von ihrer Lebensgeschichte erzählt: „Meine Oma ist Jüdin. Das, was ihr widerfahren ist, lebt auch in mir weiter, täglich werde ich mit diesem Erbe konfrontiert.“ Mit Tränen in den Augen erzählt sie weiter: „Mein Vater hatte mir früh auf dem Weg die Erfahrung der Sepharden mitgegeben: Sei immer bereit zu fliehen, alles Materielle zu verlieren.“ Auch wenn Elisara über die Folgen ihres Erbes erzählt – schwierige Momente, in denen sie sich nicht selten traurig und wütend fühlt, blickt sie optimistisch in die Zukunft und vermittelt dabei ihre nächste zentrale Botschaft: „Wir sind alle Zeitzeugen!“. Sie fragt die SchülerInnen, wie ihnen die Welt gefällt, in der sie leben, und erwähnt das berühmte Zitat: „Was wir heute tun, entscheidet darüber, wie die Welt morgen aussieht.“

Geben und Nehmen haben SchülerInnen, Lehrpersonen und BotschafterInnen in über 30 Begegnungen im Rahmen des Haus-Mifgash-Projektes „BotschafterInnen der Vielfalt“, gefördert durch das Kommunale Integrationszentrum des Kreises Kleve, erfahren, indem sie Vielfalt hautnah erlebt haben. So funktioniert es: Das Klassenzimmer verwandelt sich in ein Erzählcafé und in einer entspannten Atmosphäre findet ein interaktiver Austausch über bewegende Lebenserfahrungen und Erkenntnisse statt, gewonnen in der  Schule  des  Lebens. Dabei wird oft die Welt neu entdeckt – einfach durch einen Perspektivwechsel. „Denn es reicht zum Beispiel die Klischees im eigenen Kopf zu entdecken und schon sieht die Welt ganz anders aus. Versetzen wir uns an die Stelle der anderen, können wir auch versteckte Diskriminierungen und die Gründe für viele Ungleichheiten erkennen“, erklärt die Projektleiterin Anni Velkova-Rehm. „Wir können nur dann mit negativen Vorurteilen aufhören, wenn wir uns für die Lebensgeschichte der anderen öffnen und anschließend Empathie und Verständnis entwickeln“, teilt die Botschafterin der Vielfalt Adela Lala aus Albanien mit.

Auch Mohamed Mahdi aus Syrien fordert auf, mit Neugierde und Offenheit auf Menschen mit einem anderen kulturellen Hintergrund zuzugehen. „Die Mutigen sind diejenigen, die den ersten Schritt machen!“, betont er. Der erfolgreiche Arzt stellt sich SchülerInnen mit seiner Flüchtlingsgeschichte vor: „Als ich Deutschland erreicht habe, war das erst der Beginn meines Weges, und nicht das Ende. Man fängt aber nicht von Null an, sondern bei einem ‚Minus-Punkt‘, und es dauert einige Jahre, bis man den Null-Punkt erreicht. Es dauert, bis man die Sprache beherrscht, bis man einige Leute kennenlernt, bis man sich mit der Situation in Deutschland vertraut macht…“ Das Projekt „BotschafterInnen der Vielfalt“ bezeichnet er als „eine tolle Initiative, die ermutigen kann, dass wir alle – Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen – mehr aufeinander zukommen, mehr Offenheit füreinander zeigen, denn wir alle sind Teil dieser Gesellschaft. Wir alle gehören dazu!“ Dem schließen sich die mehr als 30 BotschafterInnen an.

Sich noch mehr zugehörig fühlen und ein Miteinander auf Augenhöhe erfahren – das ist eines der zentralen Ziele, die die Projektleiterin im Projektkonzept beschrieben hat. Um dieses zu erreichen, hat sie die BotschafterInnen und SchülerInnen in die Unterrichtsgestaltung von der Planung bis zur Evaluation einbezogen. Für sie war es besonders wichtig, Wege aufzudecken, damit die Teilnehmenden die eigene Handlungswirksamkeit erfahren. Denn, wenn man seine Ressourcen und Kompetenzen einsetzt, den Sinn und die Wirkung seiner Handlung erkennt und Wertschätzung erfährt, fühlt man sich automatisch dazugehörig und auch motiviert, sich noch mehr einzubringen. Besonders positive Wirkung hat das Projekt auf SchülerInnen mit Migrationshintergrund: Plötzlich trauen sie sich, über die eigene Lebensgeschichte zu erzählen und versteckte Teile ihrer Identität zu leben. Das stellt der Lehrer Philipp Giesinger an der Gesamtschule am Forstgarten Kleve fest.

Wertschätzung und Anerkennung spüren alle Projektteilnehmenden auch mit Blick auf die erfolgreiche Entwicklung des Inklusionsprojekts. Nach dem Motto „Vereinte Kraft versetzt Berge“ haben sie zusammengehalten und waren von der Corona-Pandemie nicht zu stoppen. Durch die Online-Begegnungen wurden BotschafterInnen der Vielfalt aus Ländern wie Finnland oder Bulgarien zugeschaltet und das Projekt hat dadurch eine internationale Dimension gewonnen, eingebracht durch den Kooperationspartner „Wir für uns in Europa“. Positive Schwingungen für ein besseres Zusammenleben haben BotschafterInnen auch durch ihre Teilnahme an Interviews zum Thema „Inklusion“ in einer Kooperation mit der HSRW Kleve gegeben. Die Projektgestaltung reichte sogar bis zur politischen Partizipation während des EU-Projekttages am Berufskolleg Kleve im Juni 2022. In Form von Workshops, geleitet durch Anni Velkova-Rehm, haben die SchülerInnen der Internationalen Förderklassen gemeinsam mit BotschafterInnen der Vielfalt in einem persönlichen Gespräch mit dem Bundestagsabgeordneten Stefan Rouenhoff ihre Wünsche zum Ausdruck gebracht, wie Kleve noch vielfältiger und lebenswerter gestaltet werden kann.

Das Projekt „BotschafterInnen der Vielfalt“ war ursprünglich bis zum 15. Januar 2022 befristet, es läuft aber aufgrund des großen Interesses an Begegnungen an der Gesamtschule am Forstgarten und der Joseph Beuys Gesamtschule in Kleve weiter. Ein Großteil der Projektarbeit kann sowohl im Projektblog botschaftvielfalt.de als auch bald in einem Dokumentarfilm gesehen werden. Im Blog kann man ebenfalls mehr über die BotschafterInnen wie zum Beispiel Sarah Poruks erfahren, die auffordert: „Raus aus der Comfort Zone, über den eigenen Tellerrand schauen, hinein ins Leben.“

Presseinformation verfasst von: Anni Velkova-Rehm

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