Beitrag zur Verlegung der Stolpersteine für die Familie Schaap
Helga Ullrich-Scheyda
Die niederländische Familie Schaap zog 1919 nach Kleve, weil Maurits Schaap bei den Clivia Oelwerken, einem Betrieb der van den Berghschen Margarine-Werke beschäftigt war. Er war dort Betriebsleiter.
Der Anteil von Juden mit niederländischer Staatsangehörigkeit war in Kleve relativ hoch. Dies hing mit der Grenznähe und den traditionell guten Kontakten über die Grenze hinweg zusammen, aber auch mit der 1888 von dem niederländischen Juden Simon van den Bergh gegründeten Margarinefabrik, die niederländische und darunter eben auch jüdische Arbeitskräfte anzog.
Seit Maurits Schaap in Kleve wohnte, war er beim VfB 03 Kleve aktiv.
Dies war sicher kein Zufall. Denn dieser Sportverein war als Verein der Margarinefabrik van den Bergh gegründet worden, weswegen er auch „de Botter“ genannt wurde.
Und es war ein Verein, in dem sich offensichtlich auch jüdische Mitglieder wohlfühlten. Es gab einige jüdische Vorstandsmitglieder, die den Verein besonders förderten und unterstützten und auch Maurits Schaap war noch Anfang der 1930er Jahre im Vorstand des VfB tätig.
Die beiden älteren Söhne Emanuel und Max besuchten das Klever Gymnasium und machten dann eine kaufmännische Ausbildung bei Weyl (später Tietz) und Gonsenheimer – zwei Kaufhäusern in jüdischem Besitz.
Der jüngste Sohn Alfred wurde in Kleve geboren.
Mit dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft verschlechterte sich die berufliche Situation der meisten Juden in Kleve schnell. Es kam zu Entlassungen, Boykottmaßnahmen und Berufsverboten. Emanuel und Max Meyer Schaap verloren ihre Arbeitsplätze schon 1933 – nach der Arisierung der Kaufhäuser Tietz und Gonsenheimer.
Die Klever Margarinewerke, die 1929 im Unilever-Konzern aufgegangen waren, verhielten sich demgegenüber anders. Sie beschäftigten ihre jüdischen Mitarbeiter so lange, wie es von staatlicher Seite erlaubt war. Zwar zog die Familie Schaap schon 1933 nach Nimwegen, um den antisemitischen Angriffen zu entgehen und den Söhnen eine berufliche Existenz zu ermöglichen, aber Maurits Schaap blieb als Pendler noch bis 1935 in Kleve tätig. Danach bezog er monatliche Geldzuwendungen der Margarinewerke und als diese Geldzahlungen Ende 1938 nicht mehr möglich waren, erhielt er eine Anstellung in einem Ölwerk des Unilever Konzerns in den Niederlanden.
Maurits Schaap war hier kein Einzelfall. Es gibt weitere Hinweise, die dieses Verhalten des Unilever-Konzerns belegen. Zum Beispiel organisierte Unilever für einen jüdischen Mitarbeiter aus Goch einen Stellentausch mit einem Angestellten aus Rotterdam.
Vor diesem Hintergrund soll nicht unerwähnt bleiben, dass der Unilever-Konzern die heutige Stolpersteinverlegung mit einer großzügigen Spende unterstützt.
Nach der deutschen Besetzung der Niederlande im Mai 1940 holte die nationalsozialistische Verfolgung die Familie Schaap wieder ein.
Rachel und Maurits Schaap wurden am 13. April 1943 über Westerbork nach Sobibor deportiert, ihr jüngster Sohn Alfred war bereits am 1. August 1942 nach Auschwitz verbracht worden. Sie wurden ermordet.
Nur die beiden älteren Söhne überlebten, weil es ihren gelang, ein Versteck zu finden. Sie hatten das Glück, auf Menschen zu treffen, die sie trotz der großen Gefahr mit dem Lebensnotwendigsten versorgten, und auf Nachbarn, die sie nicht verrieten.
Über das Leben von Max Meyer Schaap in der Illegalität gibt es ein paar Informationen. Seit September 1942 hielt er sich in einem kleinen Dachzimmer in Arnheim auf, von dem aus er bei akuter Entdeckungsgefahr in ein kleines Schlupfloch kriechen konnte.
Eine Frau versorgte ihn mit Lebensmitteln und als er ernstlich erkrankte, gab es einen Internisten, der mehrmals in der Woche zu ihm kam, um ihn zu behandeln.
Als Arnheim im September 1944 evakuiert wurde, musste Max Meyer Schaap sein Versteck verlassen. Zu Fuss durchquerte er das Land, bis es im gelang in der Provinz Groningen einen neuen Unterschlupf zu finden, wo er seine Befreiung erlebte.
Die Anzahl der Juden, die wie die Brüder Schaap untergetauchten, ist kaum zu ermitteln. Man nimmt an, dass es etwa 28 000 Juden waren, von denen etwas mehr als 16 000 überlebten.
Von den 140 000 Juden, die 1940 in den Niederlanden gelebt hatten, wurden etwa 107 000 Opfer der antisemitischen Verfolgungs- und Vernichtungspolitik – mehr als 75 %.
Bemerkenswert ist, dass Emanuel Schaap bereits Anfang der 1950er Jahre nach Kleve zurückkehrte, um sich hier eine neue Existenz aufzubauen.
Er kehrte hierhin zurück, an den Ort, an dem er bis 1933 mit seiner Familie gelebt hatte.
Zunächst nahm ihn ein früherer Nachbar in der Meißnerstraße auf, dann hatte er eine Unterkunft in der Pannofenstr. 2.
Seit 1955 betrieb er in Kellen die Firma Schaap E.M.&Co. Holländischer Deckenhandel.
Anfang der 1960er Jahre verzog er nach Düsseldorf, später nach Mannheim.
1989 war er unter den jüdischen Gästen, die Kleve auf offizielle Einladung der Stadt besuchten.