Stolpersteinverlegung am 17. März 2019

Das Textilgeschäft von Leon Sucher an der Herzogbrücke

Lindenallee 6

Albert Mayer (Groß-Gerau 1887 – 1937 Luxemburg)
Martha Mayer geb. Kahn (Mensdorf, Luxemburg 1891 – 1944 Auschwitz)
Edgar Mayer geb. 1921 in Kleve
Julius Rolf Mayer geb. 1923 in Kleve
Julius Mayer (Groß-Gerau 1890 – 1942 Auschwitz)
Bella Mayer geb. Kahn (Roodt-sur-Syre, Luxemburg 1895 – 1942 Auschwitz)
Erich Mayer (Kleve 1925 – 1942 Auschwitz)

Albert und Julius Mayer waren Brüder, ihre Ehefrauen Martha und Bella Kahn Schwestern. Albert Mayer kam etwa 1912 nach Kleve und war zunächst als Verkäufer – vermutlich im Kaufhaus Gonsenheimer – tätig. Später machte er sich mit einem eigenen Bekleidungsgeschäft selbstständig. Seit 1923 arbeitete dort auch sein Bruder Julius, nachdem er ebenfalls nach Kleve gezogen war.

Das Geschäft von Albert Mayer scheint erfolgreich gewesen zu sein. 1928 kauften Albert und Martha Mayer das Haus an der Lindenallee 6, in dem die Familie nun auch wohnte. 1930 zog auch das Geschäft um. Es wurde ein großes Ladenlokal in der Großen Straße 37 – 39 angemietet. Edgar Mayer wechselt nach der vierten Klasse auf das Klever Gymnasium.

Die „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten änderte das Leben der beiden Familien schlagartig. Wie alle jüdischen Geschäfte in Kleve war auch das „Große Spezialhaus für gute Qualitätskleidung“ schon früh von den Boykottmaßnahmen betroffen. Es war den Angriffen nicht gewachsen. Die Firma Albert Mayer musste im Frühjahr 1934 Konkurs anmelden.
Rolf, der 1934 von der jüdischen Volksschule auf das Gymnasium wechseln wollte, erhielt wenige Tage vor Beginn des Schuljahrs die Mitteilung, dass ihm der Zutritt untersagt wurde, „da die zugelassene Zahl der Nicht-Arier bereits überschritten war.“ Sein Bruder Edgar musste kurze Zeit später als letzter jüdischer Schüler das Gymnasium verlassen.

Die beiden Familien rückten jetzt noch enger zusammen. Gemeinsam wohnten sie nun in dem Haus an der Lindenallee. Die Väter versuchten als Vertreter für Manufakturwaren den Lebensunterhalt zu verdienen.Doch es wurde ihnen immer klarer, dass sie in Deutschland keine Zukunft mehr hatten. Im Oktober 1937 mussten Albert und Martha Mayer ihr Haus verkaufen. Beide Familien emigrierten nach Luxemburg. Albert Mayer verstarb dort wenig später im Alter von 50 Jahren an den Folgen einem Herzinfarkts.

Nach der Besetzung Luxemburgs durch die deutschen Truppen im Mai 1940 waren die Familien erneut bedroht. Julius und Bella Mayer und ihr Sohn Erich verließen Luxemburg kurz nach der Besetzung und ver-suchten sich im unbesetzten Teil Frankreichs in Sicherheit zu bringen. Dort wurden sie im August 1942 verhaftet und im Lager Les Milles (Aix-en-Provence) interniert. Von Les Milles wurden Bella, Julius und Erich Mayer über das Sammellager Drancy bei Paris am 7. September 1942 nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Rolf Mayer flüchtete im Dezember 1940 in das unbesetzte Frankreich. Seine Mutter folgte ihm zwei Monate später. Während es Rolf Mayer gelang, bis Kriegsende versteckt und unter falschem Na-men in Frankreich zu überleben, wurde Martha Mayer 1942 verhaftet. Nach der Internierung in verschiedenen Lagern wurde sie am 30. Mai 1944 über Drancy nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Edgar Mayer gelang es nach Palästina zu emigrieren. Er ließ sich in Haifa nieder.


Lindenallee 19

Julius Linhardt geb. 1898 in Przemysl / Galizien Österreich (heute Polen)

Julius Linhardt war seit April 1922 bei der Leonhard Tietz AG beschäftigt, seit 1. Juli 1929 als Geschäftsführer der Klever Filiale, nachdem die Firma das Kaufhaus Weyl übernommen hatte. Wie alle jüdischen Mitarbeiter wurde er im August 1933 nach der „Arisierung“ der Leonhard Tietz AG und deren Umwandlung in die Westdeutsche Kaufhof AG entlassen.

In seinem Zeugnis heißt es 1933: „Wir bedauern den freiwilligen Austritt von Herrn Linhardt, der auf die politischen Verhältnisse zurückzuführen ist, außer­ordentlich und hoffen, dass er bald seinen Fähigkeiten entsprechend einen neuen Wirkungskreis finden möge.“

Am 6.10.1933 wanderte Julius Linhardt nach Palästina aus und versuchte seinen Lebensunterhalt mit einer Wäscheannahmestelle zu verdienen. 1935 folgte ihm seine Verlobte Lieselotte Neugeboren, zu deren Erinnerung bereits ein Stolperstein in der Großen Straße 90 verlegt wurde.

Brabanterstraße 24

Leon Sucher (Boroutz / Bukowina Österreich, heute Ukraine, 1883 – 1942 Riga, Ghetto)
Berta Sucher geb. Keyser (Krefeld 1885 – 1942 Riga, Ghetto)
Alfred Sucher geb. 1913 in Kleve
Kurt Sucher geb. 1920 in Kleve

Leon Sucher lebte seit spätestens 1909 in Kleve und betrieb hier ein Textilgeschäft. Etwa 1911 konnte er in das Gebäude unmittelbar an der neuen Brücke (Ecke Herzogstraße / Opschlag) umziehen. Die beiden Söhne besuchten das Klever Gymnasium. Aber während Alfred Sucher 1932 dort noch sein Abitur ablegen konnte, wurde Kurt 1933 gezwungen, die Schule zu verlassen.

Alfred Sucher begann ein Jurastudium in Heidelberg, das er aber nach einem Semester also schon vor 1933 aufgab. In einer eidesstattlichen Erklärung gab er an, er sei als Mitglied einer jüdischen farbentragenden Studentenverbindung häufig den Anpöbeleien der nationalsozialistischen Verbindungsstudenten ausgesetzt gewesen. Heidelberg sei eine Hochburg der NSDAP und der Zeit „in dieser Hinsicht weit voraus“ gewesen. Eine akademische Laufbahn erschien ihm als Juden vollkommen aussichtslos. Stattdessen begann er 1934 eine kaufmännische Ausbildung in Hamburg und war seit Januar 1936 im internationalen Getreidehandel tätig. 1938 war die Firma gezwungen, ihn zu entlassen. Im gleichen Jahr gelang es Alfred Sucher in die USA auszuwandern.

Kurt Sucher musste seinen Wunsch, Medizin zu studieren, aufgeben. Auch er ergriff einen kaufmännischen Beruf. In Köln machte er ab 1935 eine Lehre in einer Damenhutfabrik. Er verlor seine Stelle, als der jüdische Inhaber die Firma Ende 1938 zwangsweise verkaufen musste.
Im August 1939 konnte er nach England auswandern.

Leon und Berta Sucher versuchten zunächst ihren Lebensunterhalt durch den Verkauf von Manufakturwaren in ihrer Wohnung zu sichern. Im Oktober 1936 mussten sie in das Haus des jüdischen Viehhändlers Gustav Rothschild ziehen. Unmittelbar nach Kriegsbeginn verließ das Ehepaar Kleve. Alfred Sucher erklärt hierzu 1957: „Infolge der allgemein bekannten Verfolgungsmaßnahmen gegen die Juden in den Kleinstädten verließen sie Kleve und zogen nach Krefeld. In Krefeld wurden meine Eltern von einer Wohnung in die andere geschickt. Mein Vater, ein schwer Asthma Leidender, wurde gezwungen, morgens um 5 aufzustehen, und zur Zwangsarbeit abkommandiert.(Er mußte Sandsäcke zuschneiden).“
Am 11. Dezember 1941 wurden Berta und Leon Sucher über Düsseldorf in das Ghetto Riga deportiert und dort 1942 ermordet.

Römerstraße 28

Carl Rosenberg (Kleve 1881 – 1963 Melbourne, Australien)
Olga Rosenberg geb. Doernberg geb. 1885 in Erfurt
Alfred Rosenberg (Kleve 1913 – 1946 Melbourne, Australien)

Der Vater von Carl Rosenberg wohnte seit spätestens 1879 in Kleve. Er begann mit einem „Kleidermagazin“, aus dem sich das Herren- und Knabenkonfektionsgeschäft Rosenberg entwickelte. 1911 übernahm Carl Rosenberg das Geschäft, das sich nun in einem Neubau an der Ecke Großen Straße / Wasserstraße befand, und führte es unter eigenem Namen weiter. Im gleichen Jahr heiratete er.

Der Sohn Alfred konnte 1933 noch sein Abitur am Klever Gymnasium ablegen. Sein Wunsch, Jura zu studieren, musste unerfüllt bleiben. Stattdessen erlernte er einen praktischen Beruf. Als Gerber, so hoffte er, würde es im leichter gelingen, nach einer Emigration seine Existenz zu sichern. Im Juli 1938 konnte er nach Australien auswandern.

Carl Rosenberg war gezwungen, 1936 sein Geschäft aufzugeben. Er vermietete es zunächst an einen früheren Konkurrenten. Sein Warenlager musste er im beschleunigten Ausverkauf verschleudern. 1939 ging das Gebäude weit unter Wert in den Besitz des früheren Mieters über.
Im Juli 1939 gelang es Olga und Carl Rosenberg, ihrem Sohn nach Australien zu folgen, allerdings völlig verarmt. Bis ins hohe Alter versuchten sie ihren Lebensunterhalt dadurch zu sichern, dass sie in ihrer Wohnung eine kleine Wäscherei für private Kunden – meist deutsche Emigranten – betrieben. Ihr Sohn konnte sie nicht unterstützen. Alfred Rosenberg starb im Alter von 32 Jahren an einer Infektion.

Selma Spier geb. David (Aplerbeck 1866 – 1941 London)
Josef Spier (Kalkar 1859 – 1933 Kleve)

Josef Spier stammte aus einer alteingesessenen Kalkarer Familie und war dort bis 1914 als Zigarrenfabrikant und -händler tätig. Sein Sohn Ernst besuchte von 1910 bis 1914 das Königliche Gymnasium in Kleve.Ab 1916 wohnte die Familie Spier in Kleve in der Kolpingstraße, wo sie auch ein Zigarrengeschäft betrieb und Dr. Ernst Spier nach dem Ende seines Medizinstudiums eine Arztpraxis einrichtete.

1928 verlegte Ernst Spier nach seiner Hochzeit mit Lotte Weyl Wohnung und Arzt­praxis. Im gleichen Jahr zogen Selma und Josef Spier in das Haus auf der Römerstraße 28, das sich in ihrem Besitz befand.

Am 9.12.1933 starb Josef Spier. Seine Witwe lebte noch bis 1935 in Kleve, dann verzog sie nach Kalkar.

Das Haus in der Römerstraße wurde im Januar 1939 „arisiert“. Der ohnehin niedrig angesetzte Kaufpreis stand der Familie Spier nicht zur Verfügung. Ein Teil musste für die Begleichung der Judenvermögensabgabe verwendet werden, der Rest ging auf ein Sperrkonto.

Es gelang Selma Spier noch, zu ihrer Tochter nach England auszuwandern, dort starb sie 1941.