Die AG Geschichte hat lange daran gearbeitet, jetzt ist es soweit: Am 22.11.2016 werden die ersten Stolpersteine in Kleve verlegt. An vier Orten in der Kavarinerstraße und in der Tiergartenstraße wird der Urheber der Stolpersteinaktion, der Künstler Gunter Demnig aus Köln, insgesamt 17 Stolpersteine verlegen. Die Erstverlegung wird etwa 2 Stunden in Anspruch nehmen und in ein kurzes Programm mit Texten und Musik eingebunden sein. Um 18.00 Uhr wird der Künstler im Museum Haus Koekoek zu seiner Idee „Stolpersteine und Wege“ einen Vortrag halten.
Kavarinerstraße 31
Hedwig Müller geb. Bernhard
Wilhelm Müller
Kavarinerstraße 42
Helene Gonsenheimer geb. Gompertz
Bernhard Gonsenheimer
Ernst Gonsenheimer
Else Gruenewald geb. Gonsenheimer
Friedrich Gonsenheimer
Ilse Gonsenheimer geb. Spanier
Tiergartenstraße 14
Erna Franken geb. Löwenthal
Aron Franken
Ellen Fargate geb. Franken
Horst Franken
Tiergartenstraße 24
Sophie Gonsenheimer geb. Löwenstein
Henny Gonsenheimer
Max Gonsenheimer
Paul Gonsenheimer
Jenny Löwenstein geb. Berg
Vortrag von Ron Manheim
Als mein bereits im August 1942
in Auschwitz ermordeter Onkel Sjaak
kurz vor seiner Deportation
von der erneuten Schwangerschaft
seiner Schwägerin, meiner Mutter hörte,
und dazu erfuhr,
dass sie darüber alles andere als erfreut sei,
schrieb er ihr, sie solle sich freuen,
denn es bedeute doch neues Leben,
es bedeute Zukunft!
Es betraf mich.
Und es ist mir daraus
eine dauerhafte Verpflichtung
zum Denken und Handeln erwachsen.
Onkel Sjaak wár eigentlich kein Jude.
Sein Bruder, mein Vater, war es wohl,
und seine Eltern
wie wohl auch der größte Teil
der ganzen Verwandtschaft.
Aber Onkel Sjaak
war Rotterdamer Weltbürger,
den nichts als seine Sohnschaft,
seine unmittelbare Verwandtschaft,
mit dem Judentum verband,
der seine Identität nicht im Judentum fand,
sondern in der Musik und im Kabarett.
Als es wenige Wochen vor seiner Deportation hieß,
Juden dürften keinen Kontakt mehr
mit Nicht-Juden pflegen,
stellte er erschrocken fest,
in die Einsamkeit gestürzt worden zu sein.
„Ich habe ja keine jüdischen Freunde“,
schrieb er…
Ihn überfiel ein Judentum,
das die rassistische Ideologie der Besatzungsmacht
ihm aufoktroyierte.
Könnte ich ihn heute
einen ehemaligen jüdischen Mitbürger
der Stadt Rotterdam nennen?
Natürlich NICHT!
Die Konsequenz dieser Überlegung ist,
dass ich heute,
da ich nur von ganz wenigen
der ermordeten Klever weiß,
ob und in wie fern
sie ihre Identität mit dem Judentum verknüpften,
lieber von Klever Bürgerinnen und Bürgern spreche,
die aufgrund einer rassistischen Ideologie
diskriminiert, ausgesondert, malträtiert, bestohlen, erniedrigt, verjagt und ermordet wurden.
Um diese Menschen geht es heute!
Der Verein Haus der Begegnung – Beth HaMifgash hat mit voller Unterstützung des Rates
und der Verwaltung der Stadt Kleve
die Aufgabe übernommen,
diesen rassistisch verfolgten,
verjagten oder ermordeten Menschen
in die Erinnerung der Klever Bevölkerung zurückzuholen.
Nicht mit ihrem damals vorhandenen
oder
ihnen von Rassisten aufoktroyierten Judentum,
sondern mit ihrer bürgerlichen Geschichte.
Sie waren Bürgerinnen und Bürger,
und wie auch immer sie sich selbst definierten,
für uns sollten Sie in aller ersten Linie dies sein:
ehemalige Klever Bürgerinnen und Bürger.
Das hat zur Entscheidung
für diese Form des Gedenkens geführt:
Wir verlegen Stolpersteine, Steine,
die durch ihre Beschriftung
und durch ihren Verlegungsort daran erinnern,
dass damals Menschen
verfolgt, verjagt, ermordet wurden,
die nur und ausschließlich
aufgrund einer verbrecherischen rassistischen Ideologie
zu ANDEREN gemacht wurden,
zu Lebewesen, die nicht dazugehörten,
die weniger wert seien,
eigentlich gar keine Werte vertraten
außer negative.
Wir holen sie zurück,
nicht nur mit ihren Namen,
Jahreszahlen
und der Verbindung
zu den Häusern und Wohnungen,
sondern
sofern es uns gelingt,
auch mit ihrer Lebensgeschichte.
Wir gehen den unbedingt notwendigen Schritt
über das Gedenken am Synagogenplatz hinaus,
der ja zu Recht
die Erinnerung an eine Religionsgruppe aufrechterhält.
Ab heute aber bringen wir
die aus niedrigen, verbrecherischen rassistischen Gründen
Verfolgten
in unser städtisches, bürgerliches Leben zurück.
Meine Damen und Herren,
im Haus der Begegnung an der Reitbahn,
in unmittelbarer Nachbarschaft des Synagogenplatzes
werden wir in wenigen Jahren
nicht nur unser Zentrum
für Begegnung
und gegen jedwede Form von Diskriminierung haben,
wir werden dort auch
die Geschichte des Klever Judentums dokumentieren, von ihren Anfängen im 17. Jahrhundert
bis zu seinem Ende
in der Zeit des Nationalsozialismus,
aber wir werden dort auch an das bürgerliche Leben erinnern,
das bürgerliche Leben von Menschen,
die Teil der jüdischen Gemeinschaft waren,
und von Menschen,
die in dieser Gemeinschaft ihre Wurzeln hatten.
Wir werden auch dort erinnern
an Bürgerinnen und Bürger der Stadt Kleve.
Berichterstattung in der örtlichen Presse:
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