Kleve braucht mehr Erinnerungsarbeit
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10. Mai 2022

Zeitzeugin Eva Weyl : Kleve braucht mehr Erinnerungsarbeit
Eva Weyl: Die Zeitzeugin überlebte das KZ Westerbork. Ihr Großvater führte das Klever Kaufhaus Weyl.

Interview Kleve Zur Diskussion um den Synagogenplatz in Kleve meldet sich die Zeitzeugin Eva Weyl zu Wort. Sie hat sich intensiv mit dem Klever Synagogenplatz auseinandergesetzt und begrüßte auch die Pläne des Klever Vereins Haus Mifgash.

Von Matthias Grass

Eva Weyl hat das KZ Westerbork überlebt. Sie wurde, nachdem ihre Eltern Deutschland verlassen hatten, 1935 in Arnheim geboren, ihr Großvater führte das Klever Kaufhaus Weyl. Eva Weyl zählt heute zu den wichtigen Zeitzeugen. Auch sie hat sich intensiv mit dem Klever Synagogenplatz auseinandergesetzt und begrüßte auch die Pläne des Klever Vereins Haus Mifgash. Wir sprachen mit ihr.

Viele sehen den leeren Platz als das richtige Mahnmal, als die Wunde, die so bleiben sollte. Manche Passanten halten Inne und finden dann die Erklärung erst auf der Bronzetafel vor dem Platz, andere gehen vorbei. Nur wenige Veranstaltungen erinnern an die Geschichte. Sie möchten aber mehr Erinnerungsarbeit auf dem Platz?

Eva Weyl Die vielen, die den leeren Platz in Kleve richtig finden, haben noch viel Wissen und die Älteren sogar Erinnerungen. Sie spüren, was der leere Platz bedeutet. Aber das ist bald vorbei. Dann ist es nur noch ein leerer Platz. Man wird an dem Platz genauso achtlos vorbelgehen wie an den Stolpersteinen. Wenn man an dem Platz nicht viel deutlicher Erinnerung schafft, dann wird er bald tot sein. Für Erinnerung und Gedenken braucht man schon jetzt sehr viel mehr Information darüber, was hier war und was geschehen ist, als man hier heute findet. Man sollte hier die Geschichte für alle begreifbar darstellen und gleichzeitig den Sinn des Erinnerns aktiv zeigen. Warum nur einmal im Jahr und für eine Handvoll Menschen, die alle wissen, wozu der Platz heute so aussieht? Die paar zufälligen Besucher sind zu wenig. Wenn wir mit Erinnern etwas bewirken wollen, dann muss der Ort auch für die 50.000 weiteren Einwohner von Kleve etwas zu sagen haben, und auch noch in zehn oder 20 Jahren.

Die Pläne von Haus Mifgash sehen eine Überdachung des Platzes vor: Wäre das für eine zusätzliche Erinnerungsarbeit von Vorteil oder müsste diese Erinnerung beispielsweise auch in die Schulen und Vereine getragen werden, damit zusätzliche Veranstaltungen auf dem Platz stattfinden – mit oder ohne Dach?

Weyl Ja natürlich sollte weiterhin Erinnerungsarbeit an den Schulen stattfinden. Das wäre aber einfacher, wenn es auf dem Synagogenplatz mehr zu sehen und zu erleben gäbe, wo die Schülerinnen und Schüler dann hingehen könnten. Das geht nur, wenn die Schulen das aktiv organisieren. Mit einem Dach wäre das einfacher. Man könnte die Geschichte besser darstellen und man könnte unabhängig vom Wetter Dinge organisieren, die Kindern bewusst machen könnten, wie wichtig Frieden ist und was sie selbst dazu beitragen können. Sie erleben dann Geschichte und aktive Ideen für heute und für die Zukunft im Zusammenhang, man könnte auch regelmäßig wichtige Vorträge dort auf einem Bildschirm abspielen, vor allem solche von Zeitzeugen, die bald nicht mehr da sind.

Warum ist es so wichtig, mehr „Leben“, mehr Erinnerung auf den Platz zu bringen?

Weyl Vor allem hier, wo früher die Mitte des Jüdischen Lebens in Kleve war, muss man doch intensiv auf die Ursachen hinweisen. Und ganz am Anfang: Das man jeden anderen Menschen als Menschen sehen soll. Egal, ob Jüdin, Afrikaner oder Chinese, ob Russe oder Ukrainer. Hier kann man das in historischer Perspektive klar machen. Wer nicht diskriminiert, wird auch kein Antisemit sein. Und nicht zu vergessen: Je mehr Menschen sich hier kennen und respektieren lernen, umso eher können wir lernen, friedlich zusammenzuleben. Es ist eine Überzeugung, über die ich schon seit 15 Jahren rede. Aber hier kann es jeden Tag das wichtigste Thema sein.

Glauben Sie, es sei möglich, dass dies auch ohne die geplante neue Bebauung mit einem Dach stattfindet?

Weyl Daran zweifle ich sehr. Wir müssen Rücksicht auf das hiesige Klima nehmen, Regen und Wind, Kälte oder Hitze. Wer möchte sich hier aufhalten und länger mit anderen aktiv zusammen sein? Ich denke schon, dass eine Überdachung einen sehr wichtigen Beitrag liefern könnte. Es können jeder Zeit Ideen umgesetzt werden. Ideen, die in Schulen entstehen, oder an der Hochschule, oder wo auch immer. Ob das der Verein Haus Mifgash ist oder ob das andere Initiatoren sind. Eine Stiftung oder die Stadt sollten dafür sorgen, dass der Synagogenplatz immer würdig und sinnvoll genutzt wird. Und überlegen Sie: Schüler könnten immer wieder selber Ausstellungen machen, die man sich dann auf dem Synagogenplatz längere Zeit ansehen kann.

Wie könnte auf dem Platz intensiver an die jüdische Gemeinde erinnert werden?

Weyl Ach da gibt es doch schon so viele gute Beispiele, Wir müssen das Rad nicht neu erfinden. Schauen Sie auf die ehemalige Synagoge im niederländischen Deventer, wo ich öfter war. Da kann man sich wirklich richtig informieren. Wer steckt denn hinter den Namen am Synagogenplatz? Man soll etwas erfahren können über das normale Leben von Jüdinnen und Juden in Kleve. Seit dem 17. Jahrhundert. Und natürlich auch über den aktiven Antisemitismus ab 1933. Man soll dort erfahren können, warum es hier heute keine jüdische Gemeinde mehr gibt! Und wie es aussehen soll? Ich weiß dass es heute sehr gute Ausstellungsarchitekten und Historikerinnen gibt. Die soll man dann einbeziehen!